Regisseur Dirk Szuszies sprach mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangstufe 9 der BLG über den Dokumentarfilm “Wir sind Juden aus Breslau”.
Im Rahmen des Holocaust Gedenktages 2020 fand in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Bildungswerk des Kreises Olpe und der Initiative Jüdisch in Attendorn unter der Schirmherrschaft und mit Unterstützung der Antisemitismusbeauftragten des Landes Nordrhein-Westfalen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, eine Schulvorführung des preisgekrönten Dokumentarfilms von Karin Kaper und Dirk Szuszies “Wir sind Juden aus Breslau” in Attendorn, statt.
Die SchülerInnen der Jahrgangsstufe 9 besuchten mit ihren (Geschichts-)Lehrerinnen und -lehrern Michaela Mehlich, Maria Henrichs, Canan Brüser, Markus Blömeke-Reisener und Luise Adam die Schulvorführung des Dokumentarfilms im Kino JAC in Attendorn. Die Dokumentation hebt sich von anderen ab, da sie vierzehn Holocaustüberlebende - aus ihrer Perspektive - das damalige Geschehen erzählen lässt. Das ist ein großer Unterschied zum herkömmlichen Geschichtsunterricht und für jeden, der diesen Film sieht, sehr beeindruckend.
Zunächst wurden die SchülerInnen im Kino von Volker Sommerhoff vom Regionalen Bildungsnetzwerk des Kreises Olpe und Dirk Szuszies, dem Regisseur des Filmes, begrüßt. Volker Sommerhoff unterstrich, dass dieser Film sicherlich dazu beitrage, die eigene Meinung zu schärfen und einmal darüber nachzudenken: Was darf niemals wieder passieren? Das Thema Flucht, über das die Menschen aus Breslau erzählen, sei auch heute ein Thema.
Der Regisseur Dirk Szuzies bedankte sich bei allen, die dazu beigetragen hatten, dass diese Vorführung in Attendorn stattfinden konnte. Den Schülern erklärte er, dass vier der vierzehn Personen, die in dem Film ihre Erlebnisse als Juden in dem im 2. Weltkrieg zum Deutschen Reich gehörenden Breslau (heute Wrocław in Polen) schildern, bereits gestorben sind. Wenn Dirk Szuszies heute in die jungen Gesichter der Schüler blicke, denke er daran, dass die Menschen damals genau in diesem Alter waren, als die Ächtung jüdischer Menschen begann. Er fragte die SchülerInnen: “Was passiert in euren Klassen?” “Wer wird gemobbt?” “Du Jude” als Schimpfwort kann man nicht entschuldigen. “Passt auf, mit welchen Wörtern ihr umgeht,” riet er den Gästen aus Finnentrop. Wenn die SchülerInnen den Film “Wir sind Juden aus Breslau” sehen, sollten sie ihn nicht als Schulfilm zum Lernen bestimmter Fakten verstehen, sondern ihr Herz öffnen und sich vorstellen, es sind Großeltern, die aus ihrem Leben berichten.
Dirk Szuszies empfahl den SchülerInnen, dass sie sich die Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier anhören mögen, die dieser als erster deutscher Bundespräsident an der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Israel einen Tag zuvor gehalten hatte, 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Anschließend wünschte der Regisseur den SchülerInnen nicht “viel Vergnügen”, weil es viel Schreckliches zu sehen und zu hören geben werde. In dem Film gebe es aber auch viele Schilderungen über das Glück, das manche Menschen hatten, weil sie überlebten. Denn der Film endet nicht mit den Berichten über den Krieg, sondern er schildert die Erlebnisse der Zeitzeugen bis in die Gegenwart.
In dem Film berichten vierzehn jüdische Menschen darüber, wie sie damals, als Hitler an die Macht kam, zunächst von Klassenkameraden oder anderen Jugendlichen plötzlich als “Jude” beschimpft wurden. Sie erzählen, wie sie von ihren Eltern ein letztes Mal Abschied nehmen mussten und von ihren grausamen Erlebnissen im Konzentrationslager. Diese 14 Zeitzeugen sind Esther Adler, Gerda Bikales, Anita Lasker-Wallfisch, Renate Lasker-Harpprecht, Walter Laqueur, Fritz Stern, Guenter Lewy, David Toren, Abraham Ascher, Wolfgang Nossen, Eli Heymann, Mordechai Rotenberg, Max Rosenberg und Pinchas Rosenberg. Sie alle haben eines gemeinsam, sie überlebten die Schrecken des Holocaust. Viele von ihnen sind die einzigen Überlebenden ihrer Familie und sie mussten sich nach der Befreiung des Lagers durch sowjetische Truppen am 27.01.1945 allein auf den Weg in eine ungewisse Zukunft machen. Ihre weiteren Lebensverläufe bis in die Gegenwart werden ebenfalls im Film von ihnen selbst erzählt und könnten unterschiedlicher nicht sein.
Nach der Filmvorführung sprach Dirk Szuszies die Schüler erneut an und bedankte sich für ihre Aufmerksamkeit. Er berichtete von dem aktuellen Ereignis des Angriffs auf die Synagoge in Halle. Einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde kenne er persönlich und sei daher noch einmal besonders davon betroffen.
Volker Sommerhoff gab den SchülerInnen abschließend mit auf den Weg, dass sie realistisch bleiben sollen und sich unsere bunte Gesellschaft dadurch auszeichnen möge, Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus keinen Platz zu bieten.
Die Fülle an Informationen, die der Film beinhaltete, wird den Finnentroper Gesamtschülern und ihren begleitenden Pädagogen noch viele Anlässe zu Gesprächen und zur weiteren Bearbeitung im Unterricht bieten.
Denn “Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.” (Helmut Kohl, Bundestagsrede vom 1. Juni 1995)
von Luise Adam